Die Schere zwischen Jung und Alt wird stets größer. Hierzu trägt auch der technologische
Wandel bei. Älteren Generationen, welchen das Wissen über Smartphone und Co. nicht bereits in die Wiege gelegt wurde, haben es heutzutage schwer sich alleine dieses Wissen anzueignen.
Heutzutage kommen auch Senioren nicht mehr daran vorbei sich mit der modernen Technik auseinanderzusetzen, denn ermöglicht sich dadurch eine schnelle und unkomplizierte Kontaktaufnahme mit Familie und Freunden.
Nicht nur die Unwissenheit ist ein Problem, sondern auch die mangelnde Hilfestellung von Kindern und Enkelkindern. Denn diese wohnen entweder nicht im gleichen Ort, sind sehr geschäftig ihrem eigenen Alltag nachzugehen und kümmern sich nicht um die Sorgen und Belange der Eltern bzw. Großeltern. Andere wiederum haben keine Familienmitglieder mehr, die ihnen helfen könnten.
In Albuquerque im US-amerikanischen Bundesstaat New Mexiko hat sich Trish Lopez, die Gründerin von „Teeniors“ genau diese Problematik angenommen. Teeniors ist ein Start-Up mit einem Team voll technikversierter Jugendlicher, die in Form eines Technik-Coachings Senioren bei deren Technikproblemen helfen.
Kannst du mehr über Teeniors® erzählen? Wie kam es zur Grundidee von Teeniors®?
Bei Teeniors® handelt es sich um technisch versierte Teenager und junge Erwachsene, die Senioren in Form eines persönlichen Coachings die Technologie von heute näherbringen. Egal, ob es sich um das Smartphone, den Computer, bestimmte Software oder andere Technik zu Hause handelt, das Ziel von Teeniors® ist es, mehr Handlungsfähigkeit zu ermöglichen. Des Weiteren bieten wir Jugendlichen und jungen Erwachsenen bezahlte und vor allem eine sinnvolle Arbeit.
Die Geschichte hinter Teeniors® begann mit meiner Mutter, Lillian. Sie ist 81 Jahre alt hat eine Art Hassliebe zur Technik. Zum einen liest sie sehr gerne CNN auf ihrem Smartphone und schaut sich gerne auf Facebook Bilder von ihrer Familie an. Doch technische Probleme bleiben leider nicht aus. Dann erhalten mein Bruder und ich Anrufe mit unterschiedlichen Anliegen: Vergessene Passwörter, verlorenen Dokumente usw. Leider sind wir nicht immer vor Ort, um ihr helfen zu können.
Weiterhin sind wir nicht gerade die geduldigsten Lehrer der Welt. Es scheint aber, als seien wir nicht die Einzigen mit solchen Problemen. Es gibt Millionen von Menschen wie meine Mutter.
Vorgestellt habe ich meine Idee auf einem „Startup Weekend“ für Frauen in New Mexiko im Jahr 2015. In einem Raum voller Leute habe ich nur wenig Aufmerksamkeit und Unterstützung für meine Idee erhalten, doch neben all den Neuvorstellungen von Apps und Co., erhielt Teeniors® überraschend den ersten Platz.
Nachdem wir in Kontakt mit einem lokalen „Business Accelerator“ (Förderer) kamen, konnten wir nach einigen Monaten unseren ersten Kunden verbuchen.
Seither hat sich Teeniors® zu einer spannenden und dynamischen Plattform entwickelt, die junge Erwachsene mit Menschen allen Alters in ganz New Mexiko zusammenbringt. Bisher haben wir über 2.000 ältere Menschen alleine in unserem Firmensitz in Albuquerque persönlich unterrichtet und bieten mit unserer Arbeit als gemeinnützige Organisation bezahlte und sinnvolle Arbeit für junge Erwachsene und Jugendliche – und erhalten kontinuierlich 5-Sterne Bewertungen von unseren Kunden. Dies schätzen wir sehr!
Den meisten Teenagern wurde das Wissen und die Handhabe von modernen Geräten bereits in die Wiege gelegt. Erhalten eure Coaches trotz alledem vor Start des Coachings eine Schulung oder ähnliches?
Tatsächlich weiß der Durchschnitt der Jugendlichen bei weitem mehr als der Durschnitts-Erwachsene, da sie von klein auf mit Technik in Kontakt kamen. Doch nicht jeder ist geduldig genug oder hat die entsprechende Fähigkeit Wissen weiterzugeben. Daher wird bei uns die Entscheidung anhand dessen getroffen, ob jemand ein guter Lehrer ist oder nicht. Welche Werte wir bei neuen Teeniors am meisten schätzen sind Pünktlichkeit, Freundlichkeit, Geduld und Kommunikationsfähigkeit.
Sobald man unsere Arbeit kennt, selektieren sich die Bewerber quasi von selbst, denn die meisten von ihnen wissen bereits, ob sie sich zutrauen älteren Menschen in Form von Einzeltrainings den Umgang mit Smartphone, Computer und Co. beizubringen. Schüler, die von Natur aus introvertierter sind, da sie kleine Gruppen und Einzelcoachings bevorzugen, und Schüler, die bereits Erfahrung mit dem Umgang älterer Menschen haben, bewerben sich als erstes bei uns.
Per se werden unsere Coaches nicht vorab geschult, wir haben aber Materialien für die Orientierung im Laufe der Zeit erarbeitet; mit einer Art Kurzanleitung für den Unterricht mit Senioren und sowie Schritte zum erfolgreichen Coaching.
Das Alter unserer Coaches schwankt von 16-29 Jahren; bei Jugendlichen unter 16 Jahren besteht die Möglichkeit die Zustimmung der Eltern einzuholen. Vertreten sind nicht nur Schüler, sondern auch Ingenieure, welche ein enormes Wissen vorweisen können. Somit können wir alle Bereiche von Smartphone, Computer bis hin zu Software, Drucker und auch SmartTV abdecken.
Nach einem erfolgreichen Bewerberinterview und der Prüfung der Referenzen, durchlaufen unsere neuen Coaches das ehrenamtliche Coaching für einkommensschwache Senioren, um sicherzustellen, dass beide Seiten zufrieden sind und die Arbeit passt. Wir sind sehr wählerisch, was die Auswahl unserer jungen Coaches angeht und sind daher besonders stolz auf unser Team.
Wie akquiriert ihr neue Teeniors? Kannst du uns mehr über die Abläufe erzählen?
Wir können uns glücklich schätzen, dass die meisten jungen Bewerber durch Mundpropaganda zu uns kommen. Zu Beginn haben wir auf Facebook Freunde gefragt, ob sie Jugendliche kennen, die sich gerne 10-15 Dollar/Stunde zusätzlich verdienen wollen. Wir hatten sofort einen großen Zustrom an Bewerbungen. Abgesehen davon besuchen wir Jobmessen, um Jugendliche unterschiedlichster Lebensbereiche für uns zu begeistern. Erfahrungsgemäß hören die meisten Jugendlichen von uns durch deren Eltern, Großeltern oder von Lehrern – und diese lernen uns durch die nun doch zahlreichen Berichterstattungen aus Web, Zeitung usw. kennen.
Beeinflussen sich Coaches und Senioren, die ja in Ihrem Leben eine Menge Wissen und Erfahrung sammeln konnten, gegenseitig?
Absolut! All unsere Kunden werden nach ihrem Coaching um eine Bewertung gebeten. Zum Beispiel wie zufrieden sie mit der Arbeit unserer Coaches waren, wie die Arbeit mit ihnen war und inwiefern sie selbst beeinflusst wurden.
Nach fünf Jahren Teeniors®-Arbeit kann ich auf jeden Fall sagen, dass wir mit unserer Arbeit nicht nur technische Unterstützung liefern, sondern allen voran zwischenmenschliche Beziehungen fördern.
Manche unserer Kunden sind 80 Jahre und älter und lernen zum ersten Mal den Umgang mit einem Smartphone. Einem Menschen beizubringen, wie dieser über „FaceTime“ mit seinen Enkelkindern in einem komplett anderen Bundesstaat in Kontakt tritt, wie man eine App runterlädt oder Bilder versenden, kann wunderbar sein, insbesondere für einen Jugendlichen, der möglicherweise davon ausgeht, dass jeder dieses Wissen von Grund auf besitzt.
Ein anderer Kunde mag vielleicht erst 55 Jahre alt sein, möchte aber zum Beispiel fortgeschrittenere Funktionalitäten seines Smartphone lernen oder wissen, wie man eine Cloud optimal verwaltet.
Unsere Kunden sind froh über unseren Service, da einige sehr damit zu kämpfen hatten die digitale Welt in ihren Alltag zu integrieren. Sie fühlten sich zuvor bevormundet und oftmals missachtet. Durch unsere Hilfe werden sie wieder aktive Teilnehmer und nicht nur Zuschauer unserer Gesellschaft.
Nicht nur unsere Kunden durchlaufen einen Prozess der Veränderung:
Auch unsere Coaches lieben diese Arbeit sehr, da sie es erfüllend finden einem anderen Menschen zu helfen. Gerade als Jugendlicher, die sich oft ausgeschlossen und nicht ernstgenommen fühlen und nun für sein Wissen und seine Arbeit geschätzt und respektiert wird.
Unsere Gesellschaft ist sehr fokussiert auf Jugend und Schönheit. Es ist wirklich bedauerlich, dass wir die ältere Bevölkerung komplett isolieren, vernachlässigen und ignorieren.
Auf der anderen Seite spürt auch die Generation von heute einen sozialen Mangel und wünsche sich echte menschliche Kontakte und Beziehungen – ohne Smartphone. Somit schafft unsere Arbeit für alle Generationen eine Steigerung des Selbstbewusstseins.
Du hast bereits erwähnt, dass der demografische Wandel und der technische Fortschritt die Schere zwischen jung und alt immer größer werden lässt. Was meinst du, was weitere Lösungsansätze sein könnten? Oder glaubst du, dass dieses Problem für zukünftige Generationen kein Problem darstellen wird?
Meiner Meinung nach ist echte menschliche Verbindung die Lösung für fast alle Probleme. Wir schaffen zwischenmenschliche Verbindungen. Technologie kann so viel bezwecken. Tech-Firmen könnten zum Beispiel mehr Bewusstsein im Unternehmen dafür schaffen, wer und wem sie mit ihrem Service und Entwicklungen helfen wollen.
Älteren Menschen sollten bei Neuentwicklungen ebenso beitragen, wie junge Menschen, die sich sehr bewusst sind über die positiven und negativen Auswirkungen von App und anderen Geräten, die sie täglich nutzen. Offene Diskussionen zwischen wichtigen Akteuren über die Vor- und Nachteile von Technologien und Menschen über Profit stellen, kann einen großen Einfluss auf unsere Welt haben.
Da sich Techniken immer wieder weiterentwickeln ist es schwer zu sagen wie Dinge in der Zukunft aussehen werden, aber mit mehr Offenheit, Integration und Schulung kann es nur besser für alle werden.
Altersarmut ist ein großes Thema heutzutage und wird auch zukünftige Generationen beschäftigen. Ist es möglich, dass auch Senioren, die einkommensschwach sind euren Service nutzen können?
Auf jeden Fall! Seit 2017 arbeiten wir nun auch gemeinnützig; eben um einkommensschwache Senioren, die sich unseren Service gar nicht oder nur schwer leisten können unterstützen zu können. Mit der Hilfe von Zuschüssen und Spenden können wir diese Möglichkeit anbieten.
Zum Schluss dieses Interviews, würden wir gerne noch etwas über die schönsten Erfahrungen bei Teeniors hören. Was waren bisher schönsten Erfahrungen, die ihr seit Bestehen von Teeniors® erfahren durftet?
Es gibt so viele wunderbare Erinnerungen, die ich aufzählen könnte. Es macht Spaß zu sehen, wie die Senioren ihre Anliegen kommunizieren und ihre Dankbarkeit unseren Coaches zeigen; das ist einfach immer wieder schön mit anzusehen!
Eine Erinnerung, die mich heute immer noch berührt, ist die von Terri. Terri war auf einer der ersten Events, die wir organisiert hatten. Zu dieser Zeit war ich noch sehr unschlüssig, was die weitere Umsetzung dieses Projekts anbelangte. Terri wollte lernen, wie sie ihre Boarding Karten online abrufen kann. Sie wurde von einem ganz neuen Coach unterrichtet. Nach ihrem Coaching, wollte ich ihre Rückmeldung einholen. In diesem Moment bracht sie in Tränen aus sagte:
„Für jemanden, der alleine ist und keine jungen Menschen um sich hat, habt ihr mir wieder Hoffnung gegeben. Jemand hilft mir und schreit mich nicht an? Ihr habt mich liebevoll aufgenommen, mich nicht herablassend behandelt oder als dumm dargestellt. Ich hoffe es ist euch bewusst, wie viel Auswirkung und Effekt eure Arbeit auf Menschen wie mich hat.“
DAS ist zwischenmenschliche Verbindung!
Das Interview führte Sabrina Reiter.