In Niedersachsen gilt seit dem 1. November 2020 eine Allgemeinverfügung des Sozialministeriums, welches aufgrund der Corona Krise eine Wochenarbeitszeit von 60 Stunden in der Pflege verordnet hat. Die Höchstarbeitszeit steigt für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen auf bis zu 12 Stunden täglich. Bis zum 31. Mai 2021 soll dieser Beschluss gelten.
Erhöhung Arbeitszeit Pflege | Quelle: Pexels
Ziel der Allgemeinverfügung ist es, befristete und flexible Lösungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie anzubieten. Das heißt, wenn es zu Covid-Ausbrüchen in Pflegeheimen oder in Krankenhäusern kommt, und Pflegepersonal sowie Ärztinnen und Ärzte in Quarantäne müssen, können Mehrschichtensysteme und Arbeitsblöcke angewendet werden. Dies soll den weiteren Ausbruch des Virus unter Pflegepersonal, Not- und Rettungsdiensten, Ärzten usw. verringern.
Niedersachsens Sozialministerin Dr. Carola Reimann (SPD) erklärte, dass die neue Regelung keine Verpflichtung dazu wäre, 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. Sollte allerdings von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, sind die Arbeitgeber dazu verpflichtet, die geleistete Mehrarbeit auszugleichen.
Kritik seitens der Grünen
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Partei, Meta Janssen-Kucz, kritisierte die Verfügung am 3. November 2020: „Die Pflegefachkräfte müssen wieder ausbaden, was die Politik seit langem versäumt hat. Wir brauchen dringend mehr Personal und Entlastung für die vorhandenen Fachkräfte in der Pflege.“
Die Grünen wollen nun einen Antrag in den Landtag einbringen, um die Allgemeinverfügung des Sozialministeriums nichtig zu machen. Zudem fordern sie ein Freiwilligenregister, wodurch Freiwillige aus Pflegefachbereichen, welche derzeit nicht in der Pflege tätig sind, gewonnen werden können. Weiterhin schlagen sie vor, Pflegefachkräfte von Tätigkeiten, wie Verwaltungsaufgaben oder der Essensversorgung der Patienten, zu befreien.
Kritik seitens der Gewerkschaft ver.di
Auch die Gewerkschaft ver.di bemängelte die Entscheidung des Sozialministeriums, da die Pflege ohnehin schon stark belastet sei. Ver.dis Landesfachbereichsleiter David Matrai: „In der jetzigen Situation muss es darum gehen, sie zu entlasten – nicht zusätzlich zu belasten. Eine Aushöhlung des Arbeitsschutzes ist für uns daher der völlig falsche Weg.“
Laut ver.di sind Tarifverträge der Gewerkschaft und deren Arbeitszeitregelungen weiterhin gültig.
Kritik seitens der Pflegekammer Niedersachsen
Die Pflegekammer Niedersachsen, welche kurz vor ihrer Auflösung steht, kritisiert ebenfalls das Vorgehen des Landes. „Monatelang hat das Land verschlafen, die medizinischen Einrichtungen auf die zweite Welle der Corona-Pandemie vorzubereiten. Jetzt sollen wieder die Beschäftigten in den systemrelevanten Berufen unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit die Situation retten.“, so die Pflegekammerpräsidentin Nadya Klarmann.
Zudem bemängelte sie die Vorgehensweise der Regierung, die Pflegeberufe attraktiver zu gestalten. Die Allgemeinverfügung würde Pfleger aus ihren Berufen treiben.
„Die Landesregierung macht nicht nur eine Politik vorbei an den Interessen der Pflegenden, sie torpediert sogar das jahrelange Bemühen, Pflegeberufe attraktiver, sowohl für die derzeit Beschäftigten als auch den dringend benötigten Nachwuchs, zu machen.“
Das Gesundheitssystem werde nicht zusammenbrechen wegen fehlenden Betten oder Beatmungsgeräten, sondern aufgrund der Überlastung an Pflegefachpersonen, verkündete Frau Klarmann.
Niedersachsen ist bislang das einzige Bundesland, welches zum zweiten Mal eine Allgemeinverfügung, zur Erhöhung der Arbeitszeit auf bis zu 60 Wochenstunden, anhob. (Stand 12.11.2020)