Die Pflege als Beruf und ihr Image
Wenn wir über die Zukunft der Pflege sprechen, müssen wir uns zuerst darüber im Klaren sein, was die Pflege eigentlich ist und welche Bedeutung sie hat. Die Pflege ist nicht nur ein Job, sondern eine Berufung. Es geht um so viel mehr als nur um die körperliche Gesundheit der Menschen. Die Pflege ist eine Chance für uns, etwas Sinnvolles zu tun und unsere Fähigkeiten und Talente einzusetzen, um anderen zu helfen.
Leider haben viele Menschen noch immer ein negatives Bild von den Pflegeberufen. Dies ist besonders bedauerlich, da es Jugendlichen oft schwerfällt, sich für einen Beruf in der Pflege zu entscheiden, weil sie glauben, dass dieser Beruf nicht genug Anerkennung oder Respekt verdient. Doch dieses Bild stimmt nicht! Die Pflege ist ein wertvoller Beruf und hat enorm viel Potenzial – sowohl für die Patient*innen als auch für die Pflegenden selbst.
Imagekampagnen sollen genau diese positiven Aspekte aufzeigen und helfen, mehr junge Menschen für eine Ausbildung in der Pflege zu begeistern. Allerdings hat die Corona-Pandemie in den letzten Jahren kontraproduktiv dazu beigetragen und vor allem die Schattenseiten der Pflegebranche in die Öffentlichkeit getragen.
Ausbildung in der Pflege | Quelle: Pixel-Shot – Adobe Stock
Um herauszufinden, welches Image die Pflegeberufe derzeit haben und welche Auswirkungen diese für die Berufswahl Jugendlicher haben, hat sich das Bundesinstitut für Berufsbildung (bibb) dem Thema gewidmet. Hierfür wurden im Herbst 2021 rund 2.400 Jugendliche aus 66 allgemeinbildenden Schulen aus Nordrhein-Westfalen befragt. Die Ergebnisse der Studie wurden in einem Juli Report 2022 zusammengetragen.
Die Bedeutung des Images für die Berufswahl Jugendlicher
Bevor wir uns die Ergebnisse der BIBB Studie 2021 genauer anschauen, klären wir zuerst einmal welche Bedeutung das Berufsimage für Jugendliche bei der Berufswahl hat.
Zahlreiche Theorien haben sich bereits mit der Frage auseinandergesetzt, weshalb sich Menschen für bestimmte Berufe entscheiden. Dabei kam raus, dass junge Menschen herausfinden wollen, ob die Tätigkeit sowie die Rahmenbedingungen zu folgendem passen:
Ist dem so, erscheint der Beruf den Menschen als attraktiv.
Vor allem die Übereinstimmung zwischen Rahmenbedingungen des Berufs und den eigenen Zielen ist wichtig. So ist ein Hauptziel junger Erwachsener, dass sie mit der Berufswahl soziale Anerkennung erlangen. Mithilfe des Images eines Berufes entstehen Vor- und Einstellungen gegenüber der Tätigkeit und der Persönlichkeit der Arbeitnehmer*innen. Die Erfahrungen und Wertungen verfestigen sich, wodurch “angesehene” und “nicht angesehene” Berufe und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Stellungen entstehen.
Oft wird der Berufswunsch dadurch beeinflusst, was Eltern, Freunde oder andere Familienmitglieder von dem Job halten und wie die Jugendlichen von ihnen gesehen werden wollen. Reagiert ihr Umfeld positiv auf die Berufswahl, fühlen sich die jungen Erwachsenen zu der Tätigkeit hingezogen, da diese verspricht ihr Ansehen zu stärken. Andersrum meiden sie Berufe, welche negative Reaktionen auslösen, um so ihre soziale Position nicht zu beeinträchtigen.
Das Image des jeweiligen Berufes spielt demnach eine entscheidende Rolle, da Jugendliche eher zu Berufen tendieren, welche mit einem positiven Image statt mit einem negativen behaftet sind.
Image und Berufswahl der Pflegejobs
Aus Studien, welche sich mit der Wahrnehmung und Wahl von Pflegeberufen auseinandergesetzt haben, geht hervor, dass Jobs in der Pflegebranche aufgrund ihrer gesellschaftlichen Relevanz wertgeschätzt werden, jedoch eher ein negatives Image aufzeigen. Jugendliche zählen viele positiven Eigenschaften für Pflegeberufe auf, allerdings kaum welche die ein positives Image unterstützen. Dementsprechend ist eine Pflegeausbildung für viele junge Menschen keine Option.
Allerdings ist zu beachten, dass auch bei Pflegeberufen geschlechts- und herkunftsspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung und Wahl bestehen. So erwarten weibliche Jugendliche und Hauptschüler*innen Zustimmung aus ihrem sozialen Umfeld zu einer Pflegeausbildung, während männliche Jugendliche und Realschüler*innen sowie Gymnasiast*innen negative Reaktionen befürchten.
Ergebnisse der BIBB Studie 2021
Um das aktuelle Image der Pflegberufe bei Jugendlichen sowie dessen Wirkung auf ihr Interesse an diesen Tätigkeiten herauszufinden, wurden nordrhein-westfälische Schüler*innen ab der neunten Klasse aus 66 Schulen mit unterschiedlichen Lehrformen zwischen August und Dezember 2021 mithilfe eines Onlinefragebogens befragt. In der Befragung wurden Berufe aus der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege benannt.
An der Umfrage nahmen 2.431 Jugendliche teil, wovon 44 % Jungen, 53 % Mädchen und 3 % divers bzw. keine Angabe waren. Die Schüler*innen wurden nach einer objektiven Einschätzung, also was ihrer Meinung nach andere Personen über die Pflegeberufe denken, gebeten.
Reaktionen der Familie und Freunde
Einem Fünftel der Befragten ist die Meinung ihres engeren sozialen Umfelds zu ihrer Berufswahl egal, wobei sich Mädchen hier selbstbewusster gaben als Jungs. Von der Schulform ausgehend ist Jugendlichen aus der gymnasialen Oberstufe am häufigsten irrelevant was ihre Eltern und Freund*innen von ihrer späteren Tätigkeit halten.
Auf den ersten Blick lässt darauf schließen, dass Reaktionen der Familie und Freundesgruppe keine große Rolle in der Entscheidung für eine Pflegeausbildung spielen. Dennoch zeigt sich im Verlauf der Studie, dass das Image vor allem in Bezug auf statusbezogene Attribute entscheidend ist.
Zudem schließen 52 % der Teilnehmer*innen eine Ausbildung in der Pflege aus, während 29 % sich diese eventuell und jede*r fünfte sich diese gut vorstellen können. Vor allem weibliche Schüler neigen zu einer Ausbildung in der Pflegebranche.
Vergleicht man die Schulformen miteinander so sieht man, dass Jugendliche der Hauptschulen am häufigsten und Jugendliche der gymnasialen Oberstufe am seltensten zu einer Pflegeausbildung tendieren.
BIBB Studie – Reaktionen der Familie und Freunde | Quelle: BIBB Report 1|2022
Image von Pflegeberufen
Um das Image von Pflegeberufen bei Jugendlichen zu ermitteln, wurden die Schüler*innen gebeten dieses anhand von drei Dimensionen (Ressourcen, Agilität und Sozialität), mit jeweils vier Imageattributen auf einer Skala von -10 bis +10, zu benoten.
Die beiden letzteren Dimensionen wurden überwiegend positiv bewertet, während die materiellen und immateriellen Ressourcen deutlich geringer ausfielen. Die Teilnehmer*innen hielten Pflegeberufstätige im Durchschnitt für bedingt intelligent und gebildet, eher arm als reich und ihr Ansehen als mäßig.
Jedoch ist zu erwähnen, dass die Wahrnehmung von Jugendlichen an Hauptschulen positiver ausfiel. Für sie sind Pflegende deutlich intelligenter, gebildeter, reicher und angesehener als für andere Jugendliche.
BIBB Studie – Image von Pflegeberufen | Quelle: BIBB Report 1|2022
Relevanz der Imageattribute
Fragt man die Schüler*innen welche Imagedimension am wichtigsten ist, um bei den Freunden und Eltern gut anzukommen, so nennen sie die Ressourcen und die damit einhergehenden statusbezogenen Eigenschaften wie Bildung, Intelligenz, Vermögen oder Ansehen.
Fallen diese positiv aus, glauben die Befragten an ein positives Image der Pflegeberufe und ziehen eine Ausbildung in Erwägung. Sind die Ressourcen jedoch negativ aufgestellt, dann vermuten die Schüler*innen Ablehnung von ihrer Familie und Freundesgruppe und lehnen eine Pflegeausbildung ab.
Die Imageattribute der beiden Dimensionen Agilität und Sozialität – Fleiß, Kreativität, Kontaktfreude, Geschick etc. – wirken sich laut Teilnehmer*innen kaum auf die erwartete soziale Anerkennung aus. Laut Studie sind diese Eigenschaften also weniger relevant in Bezug auf das (Des)Interesse der Jugendlichen an einer Pflegeausbildung.
BIBB Studie – Relevanz der Imageattribute | Quelle: BIBB Report 1|2022
Steigender Personalbedarf und erschwerte Fachkräftesicherung in der Pflege
In den letzten Jahren ist der Bedarf an Pflegekräften stark gestiegen, während die Zahl der ausgebildeten Fachkräfte nicht mehr ausreicht. Dies hat zur Folge, dass die Pflegeberufe immer attraktiver für Jugendliche werden müssen.
Um den steigenden Personalbedarf in der Pflege zu decken, wurden erstmalig die bisherigen Pflegefachausbildungen (Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpflege) zu einer neuen generalistischen Fachausbildung zusammengeführt. Hierdurch entstand eine breitere Beschäftigungsmöglichkeit, was die Attraktivität der Pflegeberufe erhöht.
Dennoch müssen weiterhin vor allem die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sowie das Image verbessert werden.
Fazit des Pflege-Images
Um eine Tätigkeit in der Pflegebranche attraktiv gestalten und bewerben zu können, muss verstanden werden, welche Faktoren die Zu- oder Abneigung Jugendlicher gegenüber dieser Branche prägen.
Mithilfe der BIBB Studie konnte der wesentliche Faktor des Berufsimages ausgemacht werden, welcher die Jugendlichen in ihrer Berufswahl beeinflusst. Die Teilnehmer*innen orientieren sich bei ihrer Berufswahl vor allem auf die Eigenschaften Intellekt, Bildung, Vermögen und Ansehen. Werden diese Attribute in einem Job von Außenstehenden als besonders hoch und positiv angesehen, so sind sie für eine Ausbildung in diesem bereit.
Für die Pflegebranche heißt das, vor allem die Außendarstellung und Bezahlung zu verbessern. Denn wenn Jugendliche das Gefühl haben mit ihrer Wahl zur Pflegeausbildung auf positive Resonanz von ihrem sozialen Umfeld zu stoßen und als intelligent, gebildet, einkommensstark, angesehen und fleißig betrachtet werden, dann gehen sie einer Tätigkeit in der Pflege auch nach.
„Um mehr junge Menschen für den Pflegebereich zu gewinnen, kommt es darauf an, an der Wahrnehmung der professionellen Pflegeausbildung anzusetzen. Dazu müssen wir verdeutlichen, dass Pflegeberufe nicht nur gesellschaftlich überaus relevante, sondern vor allem auch sehr anspruchsvolle Berufe sind, die von den Beschäftigten ein hohes Maß an Kompetenzen und Qualifikationen erfordern. Hilfreich wäre es zudem, ein bundesweit gültiges Berufslaufbahnkonzept in der Pflege zu entwickeln, durchlässig auszurichten und umzusetzen.“