Bereits im April haben wir im Artikel „Vor- und Nachteile von Pflegekammern“ über diese Thematik berichtet. Es ist ein sehr polarisierendes Thema. Unser Pflegeexperte Florian Seybecke hat sich mit dem Thema intensiv befasst. Insbesondere auf die politische Sichtweise und auf die Zukunft von Pflegekammern ist er dabei eingegangen.

Pflegeexperte Florian Seybecke
  • Jahrelange Erfahrung in den verschiedensten Settings in der professionellen Pflege (Pflegeheim, Intensivpflege, akut Krankenhaus, 1:1 Betreuung)
  • Fort- und Weiterbildungen in der Pflege u.a Studium Bachelor of Science Pflege, Weiterbildung zum Pflegeexperten für Menschen im Wachkoma und MCS, DGCC, zertifizierter Case Manager und verantwortliche Pflegefachkraft zum Leiten einer pflegerischen Einrichtung.
  • Deutschlandweite Schulungen in NAT. Expertenstandards, Notfallintervention und allgemeine Krankheitslehre in der Pflege.
Florian Seybecke, Die Pflegeexperten GmbH

Allgemein

Pflegekammern führen seit der ersten Gründung im Jahr 2014 in Rheinland-Pfalz zu gemischten Gefühlen in der Pflegelandschaft. Ein großer Punkt wäre da zum Beispiel der Pflichtbeitrag, den alle Pflegefachpersonen, des jeweiligen Bundeslandes jährlich entrichten müssen. Dieser führte von Anfang an zu großem Aufruhr und spaltete die Meinungen bezüglich der Pflegekammer stark.

Dabei sind jährliche Pflichtbeiträge in Berufskammern keine Neuheit. Berufsgruppen wie Apotheker*innen, Ärzte und Ärztinnen, Architekten*innen, Rechtsanwälte/innen und Notare/innen müssen ebenfalls einen jährlichen Beitrag an die jeweils zuständige Kammer entrichten und erhalten dadurch ein starkes politisches Standing zur Vertretung der berufsrelevanten Interessen. Sie haben das Recht, eigene berufliche Inhalte zu definieren und weiterzuentwickeln.

Warum sollte die Pflege nicht ebenfalls dieses Recht erhalten? Das Ziel der Pflegekammer ist die Sicherung der professionellen Pflege nach aktuellen pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen und dient der Förderung des Berufszweiges der professionellen Pflege. Wäre es da nicht sinnvoll, der Pflegekammer eine Chance zu geben!?

Die Situation in Deutschland

In Deutschland gibt es bezüglich der pflegerischen Qualität starke Unterschiede. Genau an diesem Punkt interveniert die Pflegekammer, sie ist für den Erlass einer grundlegenden Berufsordnung zuständig, die im Speziellen das Berufsbild und die genauen Berufsaufgaben einer Pflegefachperson definiert.

Sie sorgt außerdem für einheitliche Qualitätsstandards zur Qualitätssicherung durch Fort- und Weiterbildungen, nimmt eine ethische Position im Beruf der Pflegefachpersonen ein und beteiligt sich an Gesetzgebungen im Bereich der professionellen Pflege.

Weitere Aufgaben sind die statistische Erhebung von Strukturdaten, das Erarbeiten einer einheitlichen Weiterbildungsordnung, Abnahme von Prüfungen, Vergabe von Lizenzen und Zertifikaten bei Bildungsangeboten, pflegerische Gutachten und pflegerische Beratung.

Unterscheidung

Wichtig zu erwähnen ist, dass die Pflegekammer keine Gewerkschaft oder einen Berufsverband ersetzt. Die Pflegekammer ist somit nicht für Tarifverhandlungen, arbeitsrechtliche Beratung und Berufsansehen zuständig. Vielmehr soll eine Pflegekammer die Aufgaben wahrnehmen, die eine Gewerkschaft oder ein Berufsverband nicht leisten kann.

Die Pflegekammer wäre in der Hinsicht zusammen mit den Gewerkschaften und Berufsverbänden ein weiteres starkes Glied um den Berufszweig der professionellen Pflege in Deutschland weiter zu stärken.

Zukunft der Pflegekammern

Ob und wie stark sich Pflegekammern in Zukunft durchsetzen werden ist stark von der politischen Entwicklung und der Zuspruch durch die in der Pflege tätigen Personen abhängig. Der Start 2014 in Rheinland-Pfalz zeigte sich bereits schwer. 2015 eröffnete die Pflegekammer in Schleswig Holstein und 2016 in Niedersachsen, bei letzterer wurde im Dezember 2020 die Auflösung beschlossen.

In Bundesländern wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen oder Berlin sind die Kammern auf dem Weg zur Gründung, in anderen Bundesländern wie Bayern, Sachsen oder Thüringen ist bis zum heutigen Zeitpunkt nichts beschlossen.

Das eigentliche Problem ist, dass zu wenig Öffentlichkeitsarbeit im Bereich der Pflegekammern betrieben wurde. Dies hatte zum Nachteil, dass Pflegefachpersonen die sich nicht aktiv mit der politischen Lage der Pflege auseinandersetzten, den Fokus auf den Pflichtbeitrag legten und sich somit vor allen positiven Aktivitäten der Pflegekammer verschlossen haben.

Hier hätten im Vorfeld andere Lösungsansätze durch Kammer, Bund und Länder gesucht werden müssen, um einen Pflichtbeitrag in der Anfangszeit auszuschließen. Das Vertrauen wäre jedenfalls ein anderes gewesen.

Fazit

Um zukünftig ein starkes politisches Standing in Beruf der Pflege zu erlangen, werden wir um bundesweite Pflegekammern nicht herumkommen. Der Mangel an politischer Entscheidung sollte spätestens die Corona-Pandemie gezeigt haben.