Seit Anfang Mai streiken ca. 2000 Pflegekräfte der sechs Unikliniken in Nordrhein-Westfalen. Hierbei geht es ihnen nicht um mehr Lohn, sondern um einen Entlastungstarifvertrag der mehr Personal beinhaltet.
Die Klinikleitungen sehen das Patientenwohl durch die langanhaltenden Streiks gefährdet.
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Forderungen der Pflegekräfte
In den Unikliniken in Aachen, Bonn, Köln, Düsseldorf, Essen und Münster streiken seit neun Wochen die Beschäftigten. Sie fordern bessere Arbeitsbedingungen bzw. konkret mehr Personal, da sie auf den unterbesetzten Stationen mit der Arbeitslast überfordert sind und viele Angst vor einem Burn-out haben.
„Wir wollen mehr Personal für adäquate und menschliche Versorgung der Patienten“
Ihnen geht es dabei vor allem um das Patientenwohl und dass sie keinen moralischen und psychischen Druck mehr verspüren möchten, wenn sie durch Unterbesetzung nicht allen Patient*innen helfen können. Viele beschweren sich darüber, dass sie selbst entscheiden müssen, welchem Menschen sie helfen und wem nicht. Einige bezeichnen dies sogar als „weiche Triage“, da nur begrenzt medizinische Hilfe zur Verfügung steht.
Die Pflegekraft Lisa Schlagheck vom Uniklinikum Münster erzählt in einem Interview davon, wie sie regelmäßig den Nachtdienst allein bewältigen muss und sie in jeden Dienst mit einem Gefühl der Angst reingeht, da sie Angst vor der Situation hat, die auf sie allein treffen könnte.
Der von den Pflegekräften geforderte Tarifvertrag „Entlastung“ beinhaltet eine direkte Kopplung der Personalbemessungen an einen Entlastungsausgleich. Wenn also eine Pflegekraft länger als im Dienstplan vorgesehen bzw. unterbesetzt arbeitet, wird sie mit mehr Freizeit ausgeglichen.
Auswirkungen des Streiks
Zum Leid vieler Patient*innen fällt durch den Streik jede Menge Pflegepersonal aus. Zum Teil müssen ganze Stationen sowie Notaufnahmen schließen und mehrere tausend Operationen konnten nicht stattfinden. Anfang Juni fielen in Düsseldorf fast 1.000 OPs aus, in Essen waren es 1.570 und in Münster sogar mehr als 1.600. In Bonn zog die Klinikleitung wegen abgesagter und verschobener Operationen vor das Arbeitsgericht, jedoch ohne Erfolg: Die Gewerkschaft Verdi darf weiterhin zum Streik aufrufen.
Um bei Bedarf und für dringende Fälle Personal zu haben, hatten die Kliniken mit den Streikenden eine Notdienstvereinbarung getroffen. Offenbar seien die Auswirkung und die Dauer des Streiks dennoch unvorhersehbar gewesen, wodurch nun mehr Pflegepersonal fehlt als antizipiert wurde.
Antwort der Pflege
Den Pflegekräften sind die Auswirkungen ihres monatelangen Streiks bewusst, dennoch ziehen sie weiterhin jeden Tag auf die Straße, um einen Entlastungstarifvertrag zu fordern – die tägliche Patientenwohlgefährdung sei auch ohne Streik hoch. Um vom Staat eine Verbesserung zu erlangen, hatten die Pflegekräfte bereits Meldungen und Gefährdungsanzeigen abgegeben. Eine Handlung seitens der Politik blieb bislang aus. Die Beschäftigten der Unikliniken bauen deshalb mehr Druck auf, indem sie mithilfe des Streiks jeden Tag auf die Situation aufmerksam machen.
Ein Ende nimmt die Situation ihrer Meinung nach nur, wenn ein Tarifvertrag, der die Beschäftigten entlastet, abgeschlossen wird. Das diese Forderung funktioniert zeigt sich in der Charité in Berlin. Dort wurde bereits so ein Tarifvertrag eingeführt. Hier gilt: Für jede Station ein fester Personalschlüssel, eine hohe Arbeitslast wird durch freie Tage ausgeglichen sowie das im Nachtdienst nicht allein gearbeitet werden darf.
Klinikstreik in NRW | Quelle: stern.de
Erste Verhandlungen
Die Unikliniken kamen bereits Anfang Juni mit Vorschlägen, wie etwa die Entlastungstage für „in der Pflege am Patienten arbeitenden Beschäftigte“ und eine stufenweise Personalaufstockung. So sollen in der ersten Entlastungsstufe bspw. Pflegekräfte im Schichtdienst fünf zusätzliche freie Tage bekommen.
Das Pflegepersonal scheint von diesem Angebot der Unikliniken jedoch „maßlos enttäuscht“, so Intensivpfleger und Verdi-Mitglied Albert Nowak, da neben einer Personalaufstockung lediglich ein paar freie Tage pauschal hinzukommen, unabhängig davon wie die Belastungssituation tatsächlich ist.
Die Streikenden fordern nun vom Land Nordrhein-Westfalen Geld für die Unikliniken, um mehr Stellen zu finanzieren. Eine Stellungnahme des Gesundheitsministeriums NRWs bleibt bisher aus.